Sa, 01.10.2022
ALTE SAU
Support: MPC LAFOTE
Gefördert von Neustart Kultur, Initiative Musik und der BKM
Einlass: 19:00 | VVK:15EUR | TICKETSmiley face | AK: 18 EUR
Es ist ein erlesener Kreis aus der Hamburger Subkultur, der unter dem Namen Alte Sau zusammen Musik macht: Keyboarderin ist Rebecca „Becki“ Oehms, die die wärmsten Orgelsounds ganz Norddeutschlands spielt, neu hinzugekommen ist Bassist Thomas Wenzel, der einst bei den Sternen und den Goldenen Zitronen den Bass bediente, am Schlagzeug sitzt Raoul Doré, der aus den Untiefen des Neunziger-Hardcore kommt und inzwischen das freie Spiel entdeckt hat. Für die Chöre sorgen Die Sibirischen Falten (Becki, Piroska H., Wiebke H.). Und es singt: Jens Rachut, Wildschweinhasser und IC-Fan.

Im Dezember 2021 erscheint das dritte Album der Band, das erste in dieser leicht veränderten Besetzung. „Öl im Bauch“ heißt es. Komponiert haben Alte Sau die 13 Songs bereits Anfang 2020 – vor der großen Seuche – auf einer Hütte in Finnland, dort entstanden die Texte und die Songskizzen. Aufgenommen wurden die 13 Stücke dann im Dezember 2020 im Art Blakey Studio mit Ted Gaier in Hamburg. Es ist ein originärer Sound, der auf dem Werk zu hören ist - Freak-Folk mit Orgel und Hamburger Humor könnte man dazu sagen. Als Texter und Sänger agiert Rachut hier freier als in anderen Konstellationen, er schmeißt in teils schrillem Ton mit Wortfetzen und Satzbausteinen um sich, an die sich nicht selten eine süße Melodie schmiegt. Die Musik ist teilweise frei flottierend, nervös und fiebrig („Alter Stefan“), dann kühl und wavig („Öl im Bauch“), dann wieder melodisch und hymnisch („Es war so klar“).

Vielleicht ist es der offene Zugang zur Musik, der dieses Album zu etwas Besonderem macht: Alles ist möglich, nichts ist ausgeschlossen – am Ende kommen sehr unterschiedliche musikalische Sprachen und Stile zusammen. Das singalong-taugliche „Ikeamond“ etwa ist ein kleiner Slow-Disco-Punk-Hit gegen jede Gleichförmigkeit des möblierten und unmöblierten Seins („In Schweden bist du geboren/ du bist zeitlos und so beliebt/ trotzdem irgendwie kaputt/ Ikeamond“), und das von der Rhythmussektion angetriebene „Gibst du mir was“ ist das beste Lied über die menschliche Psyche und über Phobien, das man in jüngerer Zeit zu hören bekam: „Hat man die Aerophobie besiegt, heißt es nicht, dass die Prüfungsangst weg ist/ die Höhenangst ersetzt nicht die Furcht vor geschmierten Broten/ und das Grausen vor Badekacheln hilft nicht vor dem Ekel im Hellen einzuschlafen“, heißt es in dem Song. Die Texte sind meist sehr assoziativ, oft elliptisch, ein Cut-Up aus Worten, dabei fallen immer wieder Zeilen ab, die man so schnell sich vergisst. Alles kann Thema eines Songs sein, von der Supermarktszene über die Endlichkeit des Lebens bis hin zum „Rindenmulch“.

Musikalisch haben die Stücke im Vergleich zu den vorherigen Alben an Groove gewonnen, die Orgel klingt noch etwas verspielter, quirliger und kurviger, Songs wie „Kleines Tier leicht anders“ oder „Kannibalen und Rauch“ werden dadurch zu einer eingängigen Angelegenheit. Die Rhythmusabteilung kommt mal postpunkig im Stakkato, dann variabler und gleitender daher. An manchen Stellen ist „Öl im Bauch“ musikalisch gar eine große Überraschung, der Song „4 Stühle“ hat loungige, Easy-Listening-mäßige Anleihen. Es geht um 4 Stühle, die niederbrennen, und irgendwie geht es wohl auch um Erinnerungen und um die Liebe, und es ist nicht zuletzt dieses tiefmelancholische Stillleben, das von diesem Album noch eine ganze Weile nachhallt.
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  • 1.10.    ALTE SAU<br />
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